Das Berliner Prinzip

Unsere Meinung

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

„Hier geht es ums Prinzip“… Der Zettel an der Tür einer Mitarbeiterin im Kreuzberger Stadtplanungsamt definiert wo es lang geht. Oder wo es eben nicht lang geht. Es geht nicht um Sie, den Bürger. Nicht um die Umsetzung einer vielleicht guten Idee. Noch weniger um ein gemeinsames Ziel. Im kleinen oder gar im gesellschaftlichen Rahmen. Nochmal: Es geht es um das Prinzip.  Aber um welches oder um wessen Prinzip, fragen Sie?  Treten Sie ein; wir hören einfach zu…

Sie möchten einen Balkonanbau besprechen? Nana. Eine Remise ausbauen? Oho. Ein Fahrstuhl soll her? Ein zweites Bad? Jetzt aber mal langsam. So geht das doch nicht. Das verstößt gegen dies, gegen das, oder gegen jenes. Das geht nicht, hören Sie immer wieder. Oder, viel, viel schlimmer: Das gefällt MIR nicht. Das unterstütze ich nicht. Das Todesurteil für Ihr Vorhaben.

Warum nicht, fragen Sie. Na, weil es eben nicht geht. Abstandsflächen. Brandschutz. Nachbarzustimmung. Milieuschutz. Erhaltungssatzung. B-Plan. GFZ-Überschreitung. Städtebaulich untragbar. Das geht zumindest sooo nicht. Wie denn dann?

Eine Terrasse zur Schule ausgerichtet? Der schiere Wahnsinn. Denn da hat doch vor 20 Jahren glatt ein Nachbar erfolgreich gegen Kinderlärm geklagt. Das müssen Sie doch gewusst haben, das muss Ihnen doch klar gewesen sein. Das Risiko, unabsehbar, Sie müssen verstehen...

Nein, der Mitarbeiter muss sich nicht über Sie ärgern, über Ihre geradezu kindliche Naivität, über Ihre absurden Wünsche. Denn er besitzt sie ja, die ultimative Waffe gegen den Bürger. Die Zeit. Er bekämpft Sie nicht mit Paragraphen oder Verordnungen. Viel einfacher: mit Verweigerung. Denn ohne seine Unterstützung, das weiß er, werden Sie nicht zum Ziel gelangen. Niemals.

Das beeindruckt Sie nicht? Kein Problem.

Ein Brandschutzgutachten hier, ein Vermessungsplan dort, vielleicht noch eine Verschattungsstudie? Die Liste der Nachforderungen kennt kein Ende.  Und wenn Sie auch noch so viel Zeit haben. Irgendwann ist Ihr kleines Projekt so teuer geworden, dass Sie mit dem gleichen finanziellen Aufwand ein großes Vorhaben hätten realisieren können. Nur eben nicht in Berlin.

Ihre Akte wandert von Abteilung zu Abteilung. Von Tisch zu Tisch. Von Zuständigkeit zu Zuständigkeit. Von einem kranken Kollegen zum nächsten kranken Kollegen. So vergehen Wochen, Monate. Und mit etwas Glück, verdursten Sie auf der Strecke. Aus Ihrem Vorhaben wird dann keines. Oder ein ganz anderes. Nämlich das des Mitarbeiters im Stadtplanungsamt, im Milieuschutz, oder wo auch immer. Meistens kleiner, mittelmäßiger, fast immer unzeitgemäß.

Mission erfüllt, Veränderung verhindert. Ein Schelm wer an was Böses denkt…

Sie möchten das nicht einfach hinnehmen? Bravo! Nur Mut: Erinnern Sie den Mitarbeiter daran, was ein Senator, ein Regierender, ein Bezirksbürgermeister (unwahrscheinlich) letztens in die Kameras gesagt hat: „Berlin braucht Wohnungen“, Berlin braucht eine schlankere Verwaltung“, „Berlin braucht dies“, „Berlin braucht das“.

Was niemand sagt, ist: Berlin braucht bürgernahe Ämter. Berlin braucht mehr Mitarbeiter, die mitarbeiten, nicht gegenarbeiten. Berlin braucht Kreativität, Flexibilität. Ja, Berlin braucht auch bezahlbaren Wohnraum, braucht mehr Wohnungen. Aber Berlin braucht keine Betonköpfe. Weder in der Politik, noch in der Verwaltung; sie verhindern tagsüber erfolgreich die Entwicklung unserer Stadt. Im Kleinen und im  Großen.

Nach Feierabend gehen auch Betonköpfe nach Hause. Und genießen ihren Balkon.

Eine Meinung von Geschäftsführer M.A. Peter Guthmann

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