Neue Normalität Regulierung?

Verschiebt die ideologisch getriebene Wohnungspolitik unsere Paradigmen? Eine Formelsammlung.  

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Worum es geht

Neben der Mietpreisbremse nach BGB 558 ff und dem Instrument der Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB, plant der rot-rot-grüne Senat in Berlin mit dem Gesetz zur Mietenbegrenzung (Mietendeckel) die bislang schärfsten Eingriffe in den Wohnungsmarkt. In seiner Natur ist das Vorhaben nicht mehr nur regulierend, sondern ein Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung des Gesetzgebers als rechtssicherer Raum für alle Bürger. Das Vorhaben hat das Potenzial, die Stadt nicht nur gesellschaftlich in Lager zu spalten, sondern darüber hinaus, die Wohnungsnot zu verstärken und zu verfestigen. Dieser Beitrag ist eine Formelsammlung der kritischen Punkte und der vom Mietendeckel ausgehenden Gefahren. 

Rechtliche Aspekte

  • Gesetzgebungskompetenz: Ungeachtet der materiellen Fragen und daraus entstehender Klagen, ist grundsätzlich zu klären, ob Berlin über die gesetzgeberische Kompetenz verfügt, ein Gesetz zur Mietenbegrenzung einzuführen. 
  • Wie ist das Verhältnis zu § 28 der Verfassung von Berlin? Darf eine Partei Elemente herauslösen und durch Auslassung anderer, gleichberechtigter Elemente, die Meinung der Bürger beeinflussen?
  • Vertrauensschutz: Darf eine Partei eines der grundlegendsten Prinzipien unserer Gesellschaft für Teile der Gesellschaft außer Kraft setzen?

Wirtschaftliche Aspekte

  • Besonders getroffen werden Wachstumslagen mit einfacher bis mittlerer Einstufung. Mietshäuser teilweise bereits mit erheblichem Aufwand modernisiert / energetisch ertüchtigt. Maßnahmen vor 2014 laufen in Deckungslücke, wenn vereinbarte Mieten auf Obergrenzen abgesenkt werden.
  • Abfallende Staffelung der Mieten nach Baujahren im Widerspruch zur Realität. Modernisierungsbedarf in ältere Baujahresklassen größer, als in jüngere Baujahre. Modernisierungen wurden überwiegend über gestiegene Mieteinnahmen refinanziert, die sich am Mietspiegel orientieren. Mietkappung benachteiligt insbesondere solche Vermieter, die auf Umlagen ganz oder weitgehend verzichtet haben. 
  • Vorgenannte Effekte führen zu Bestands-Erosion, da private Vermieter entweder eingesetzte Eigenmittel oder aufgenommene Fremdmittel für Modernisierungen nicht mehr refinanzieren können. 
  • Eigentümer gehen finanziell immer in Vorleistung. Sie profitieren von steigenden Mieten, tragen andererseits die Risiken von Abwärtsbewegungen. Bsp.: Ende der 1990er Jahre mussten sich viele Eigentümer überschulden, um die Erosion des Bestandes zu verhindern. Teilweise tragen Eigentümer noch an den Lasten des letzten Immobilieneinbruches. 
  • Wird Vermietung unwirtschaftlich gemacht, werden Wohnungen bei Leerzug nicht neu vermietet, sondern verkauft, wodurch dem Mietmarkt Wohnungen dauerhaft entzogen werden. Durch die Verknappung steigen v.a. in bevorzugten Lagen die Kaufpreise. 
  • Eigentümer von MFH kehren zum Teilungsmodell zurück. MFH werden auf Vorrat geteilt. Nach Haltefrist (7 Jahren Mieterkauf) werden diese Wohnungen frei oder vermietet veräußert. Wenn vermietet, dann mit auf 5 Jahre reduziertem Sonderkündigungsrecht vor Eigenbedarf.
  • Gebäudetechnisch widersprechen abwärtsgestaffelte Mietobergrenzen für Baujahresklassen der 50iger, 70iger und 80iger Jahre dem hohen Instandhaltungsbedarf dieser Gebäude. Mietkappung / Mietobergrenzen gleichen einer Abwrackanweisung für diese Gebäude.

Gesellschaftliche Aspekte

  • Öffentlicher Diskurs wird durch Leitfiguren der Politik nicht moderiert, sondern ideologisch überlagert. Dadurch teilweise Verlagerung des Diskurses in den nicht-faktischen Bereich. 
  • Lagerbildung der Gesellschaft in Mieter und Vermieter. Zeichnung eines dichotomischen Weltbildes. Mieter nehmen Opferrolle ein, Vermieter werden pauschal diskriminiert. 
  • Argumentative Diskursansätze werden einer gefühlten Realität unterstellt, abstrakte Bedrohungslagen konstruiert und Andersdenkende diskreditiert. 
  • Förderung der Radikalisierung von Mietern durch Fraternisierung der Politik mit Mietern, durch Einflussnahme auf die Mieter oder durch Tolerierung von Radikalismen unter Mietern.

Sprachduktus

  • Generelle Etablierung von Lautstärke und radikalen Formulierung als Standard in Social Media, Print, TV, Radio.
  • Die Etablierung radikaler Worthülsen und Formulierungen befördert die Spaltung: “Miethaie”, “Rendite”, “Spekulanten”, “Mietenwahnsinn” und viele mehr.
  • Polemische Rhetorik unter bewusster Ausblendung und Auslassung sachlicher und fachlicher Argumente.
  • Linke Debattenkultur wird auf emotionaler und dogmatischer Ebene geführt. Fakten werden untergeordnet, Meinungsmacht wird angestrebt.
  • Begriffe werden stark polemisiert und negativ oder positiv konnotiert. Wortzusammensetzungen: Miet-Hai, Rendite-Sucht, Mieten-Wahn, Wucher-Miete, Mieten-Stopp,
  • “Wucher“-Begriff, im BGB klar definiert, wird zur “Wuchermiete” umformuliert. Die Begrifflichkeit des BGB auf höchster politischer Ebene unterlaufen.

Information - Gefühlte Realität vs. Fakten

  • Die Erzeugung eines diffusen, Ich-bezogenen Ungerechtigkeitsgefühls durch die Politik untergräbt demokratischen Diskurs. 
  • Politik verzichtet darauf, die Erfolge von Erhaltungssatzungen und die umfangreichen Schutzmechanismen für Mieter politisch zu verwerten zugunsten eines beförderten Faktendefizits, der ein generelles Verdrängungsgefühl befördert.
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Egalisierung der Gesellschaft

Reduzierung des Diskurses auf Mieter- und Vermieterpositionen verschiebt Gerechtigskeitsachse. Mieter sind per Definition “Mieter” und damit automatisch in der benachteiligten Position. Auch Mieter, die sich zuvor fair behandelt gefühlt haben, werden moralisch gestützt, Mieten zu kappen, unabhängig vom sozialen Status oder Einkommen. → Mietadel

Paradigmenwechsel gesellschaftlicher Normen und Leistungen

  • Gesellschaftlicher Nutzen der von Vermietern über Jahrzehnte getätigten Investitionen wird geleugnet.
  • Wohneigentum soll nach links-ideologischen Vorstellungen nicht reguliert, sondern abgeschafft werden.
  • Private Bauherren sind in linken Konzepten bestenfalls notwendiges Übel.

Stadtentwicklung

  • Rückschlag für die Stadtentwicklung. Erfolgreiche Förder- und Bauerfolge der Vergangenheit (IBA neu) bezogen immer wirtschaftliche, baurechtliche, steuerliche und mietrechtliche Auswirkungen ein.
  • Förderung von Unterbelegung: Kleine Haushalte geben billigen Wohnraum nicht mehr frei. Miethöhe wird nicht mehr nach dem eigentlichen Bedarf des Haushaltes (Anzahl Personen) gesteuert, sondern über die Quadratmeter-Miete. Große Wohnungen gehen dem Mietwohnungsmarkt verloren.
  • Sickereffekte werden unterbunden, Binnen-Wanderungsbewegungen unterbrochen Verdrängung wird gefördert. Junge Familien werden gezwungen, die angestammte Umgebung zu verlassen, wenn sie sich vergrößern wollen. 
  • Zuzügler werden diskriminiert. Wer aus extern kommend Wohnung in Berlin sucht, steht vor einem verschlossenen Markt, während Bestandsmieter in den Wohnungen verharren.
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