Grüner Zielkonflikt: Klima vs. Mieterschutz

Lassen sich Klimaziele mit der politischen Agenda von Rot-Rot-Grün in Berlin vereinbaren? Der Zielkonflikt der Berliner Grünen wird offensichtlich.

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Klimapaket und Wohnen

In Berlin hat sich die Bundesregierung auf ein Klimapaket geeinigt. Neben der Verteuerung von Diesel und Benzin, sehen die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 auch ein Verbot neuer Ölheizungen vor. Insgesamt spielt der Gebäudebereich in der Klimawende eine wichtige Rolle. 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr stammen in Deutschland aus dem Gebäudesektor. Im Jahr 2030 dürfen noch 72 Mio. Tonnen CO2/Jahr emittiert werden. 48 Millionen Tonnen müssen also eingespart werden, was mit den bestehenden Instrumenten nicht erreichbar ist. Mit der Energieeinsparverordnung 6 und KfW-Förderprogrammen wird die Emission rechnerisch bestenfalls auf etwa 90 Mio. Tonnen CO2 für das Jahr 2030 /Jahr sinken. Die Unterdeckung von etwa 18 Millionen Tonnen soll durch eine Kombination aus Fördermaßnahmen, Information und Beratung, der CO2 Bepreisung und durch das Ordnungsrecht geschlossen werden. 

Die Situation in Berlin

Für Berlin liegen keine Zahlen vor, die es ermöglichen, den Gebäudeanteil an den CO2-Emissionen aus dem Emissions-Block Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen herauszurechnen. Der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe zufolge, liegt der Anteil des Blocks mit etwa 13 Mio. Tonnen CO2 bei 65,4 Prozent des Gesamtausstoßes. Entsprechend liegt hier auch das größte Einsparpotenzial.

Grüne im Zielkonflikt zwischen Milieuschutz und Klima

Die Berliner Grünen zeigen sich unzufrieden mit den Zielen des Klimapaketes. Berlins Grüne- Vize-Bürgermeisterin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hält die Schwerpunkte auf eine CO2-Besteuerung und die Erhöhung der Pendlerpauschale für ambitionslos. Auch gebe es keine Konzepte in der Landwirtschaft. Bei Aussagen zu den durch die Gebäudestruktur in Berlin verantworteten Emissionen halten sich die Berliner Grünen zurück. Zum Problem werden nun die Zielkonflikte zwischen Erhaltungssatzungen/Abwendungsvereinbarungen und den Klimazielen. In Milieuschutzgebieten werden fast alle energetischen Maßnahmen, die nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben sind, vor erhebliche bis unüberwindbare bürokratische und wirtschaftliche Hürden gestellt, weshalb dringend notwendige Investitionen in die energetische Erneuerung der Immobilienbestände ausbleiben.

Wie grün sind die Berliner Grünen?

Nur wenige Tage nach dem Klimagipfel, regte Berlins Grünen Umweltsenatorin Regine Günther an, in Berlin den Klimanotstand auszurufen. Wenn die Verhinderung der energetischen Modernisierung Berlins eine maßgebliche Handschrift grüner Politiker trägt, gleichzeitig aber nach einem Klimanotstand gerufen wird, offenbart sich der Widerspruch der Grünenpolitik in der Hauptstadt. Statt sich dem politisch heiklen Terrain im Gebäudesektor auszusetzen, setzen die Berliner Grünen ihre Schwerpunkte lieber im Verkehrssektor, wo Maßnahmen schnell sichtbar werden und sich in einem Sympathiebonus auszahlen. Zwar ist der Anteil der CO2-Emissionen und damit das Einsparpotenzial auch hier erheblich. Die Konzentration darauf trifft in der Großstadt Berlin mit einem Wohnungsbestand von annähernd 2 Millionen Einheiten in etwa 327.000 Gebäuden jedoch nicht den Kern des eigentlich ur-grünen Themas. 

Landesgesetzgeber will keine energetischen Modernisierungen

Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland bereits heute bei der energetischen Modernisierung des Wohnungsbestands hinterher. Einem Bericht des IW (Institut der deutschen Wirtschaft, hier) zufolge, müssten, um die Klimaziele zu erreichen, etwa doppelt so viele Wohnungen pro Jahr umfassend saniert werden, wie zum jetzigen Zeitpunkt. Im gesamtdeutschen Schnitt wiederum liegt Berlin mit einer Modernisierungs- und Teilmodernisierungsquote von ca. 6 Prozent des Bestandes pro Jahr im unterdurchschnittlichen Bereich. Wurde in Berlin schon vor der extensiven Einführung von Milieuschutzgebieten wenig modernisiert, so stehen zwischenzeitlich die Erhaltungssatzungen fast jeder Art von energetischer Modernisierung aktiv entgegen. Ergo kannibalisieren die politischen Ziele durch Modernisierungsverbote im Milieuschutz die Klimaschutzziele für einen langfristig klimaneutralen Gebäudebestand. Die Regelungen des § 172  des BauGB sehen zwar vor, dass Genehmigungen zu erteilen sind, wenn dadurch die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung erreicht werden. Weitergehende energetische Verbesserungen werden jedoch mindestens erschwert, meist aber unterbunden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Genehmigungspraxis von Bezirksamt zu Bezirksamt in Abhängigkeit politischer Prämissen unterschiedlich ausfallen kann und damit für Eigentümer kaum berechenbar ist. Ein gesellschaftlich übergeordnetes Klimaziel wird auf diese Weise auf die unterste Verwaltungsebene gebracht und dem politischen Willen der fachlich überforderten Abteilungen untergeordnet. Eigentümer, die dennoch energetisch modernisieren möchten, sind in der Nachweispflicht, dass das Ziel der Maßnahmen die Erreichung von EnEV-Mindestanforderungen ist; auch die zu erwartenden Einsparungen der Mieter müssen belegt werden. Beides gestaltet sich in der Praxis sehr schwierig. Bewohner beeinflussen Verbräuche durch ihr Verhalten. Einsparungen bei den Heizkosten sind daher kaum kalkulierbar und noch weniger nachzuweisen.

Mieter müssen mit steigenden Kosten rechnen

Neben der Genehmigungspflicht für Modernisierungen im Milieuschutz würde eine Deckelung der Mieten dem Zielkonflikt zwischen Mieter- und Klimaschutz eine weitere Komponente hinzugefügt. Eine zusätzliche Hürde durch langfristig festgeschriebene Mieten würde den Anreiz für Vermieter, in den Bestand zu investieren, weiter reduzieren. Wenn sinnvolle energetische Modernisierungen unterbleiben, kommt es nicht nur zu einer Erosion des Bestandes, unter dem die Mieter leiden, sondern zwangsläufig auch zu steigenden Heizkosten. Neben der im Klimapaket beschlossenen Erhöhung der Energiepreise, steigen auch die direkten Kosten durch einen energetisch schlechter, statt besser werdenden Bestand. Wenn auch bei Neuvermietung die Mieten durch eine Deckelung, die bislang zulässigen Werte aus Mietspiegel und Mietpreisbremse unterschreiten, werden Wohnungen künftig vor einer Neuvermietung bestenfalls einer Pinselmodernisierung unterzogen. Energetische Maßnahmen, wie neue Fenster oder der Umbau von Heizungsanlagen bleiben bei einer Deckelung der Mieten auf unabsehbare Zeit aus, selbst wenn sie nach den Erhaltungssatzungen prinzipiell genehmigungsfähig wären. Die Konsequenz wäre, dass die Heiz- und Betriebskosten, die in den letzten Jahren wegen der niedrigen Kosten für Gas und Öl stabil bis nachlassend waren, künftig wieder stärker steigen, was auch für die Energiekosten gilt. Der durch staatliche Maßnahmen eingefrorene Anteil der Nettokaltmiete würde von den steigenden Nebenkosten aufgefressen werden. Das für Mieter ungünstigste Szenario würde nach Auslaufen der Regulierungs-Modalitäten einen unmittelbaren Preissprung in der Miete zur Folge haben, der auf einen energetisch unmodernisierten Bestand stößt.

Milieuschutz und Mietendeckel. Kann es für den Bestand noch schlimmer kommen?

Tatsächlich lautet die Antwort auf diese Frage ja. Denn die sich aus der Genehmigungspflicht für Modernisierung in Erhaltungssatzungen ergebenden Einschränkungen werden bei einem Wechsel der Eigentümer in Milieuschutzgebieten noch verschärft. In den Abwendungsvereinbarungen, die ein Käufer mit dem Bezirk abschließen muss, wenn er einen Vorkauf abwenden will, werden energetische Maßnahmen auf einen Zeitraum von 20 Jahren ab Erwerb komplett ausgeschlossen, wenn sie nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. Um den Fall zu illustrieren: Möchte ein Eigentümer kaputte Fenster ersetzen, so wäre dies eigentlich auch eine energetische Modernisierung. Da der Austausch aus den verpflichtenden Maßnahmen der EnEV herausgenommen wurde, würde der Eigentümer gegen die Abwendungsvereinbarung verstoßen, selbst wenn er den Austausch als Sanierung durchführen und auf eine Kostenumlage auf die Mieter verzichten würde. Gleiches gälte für eine Fassadendämmung. 

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