Kommt das Vorkaufsrecht zurück?

Im Bund zeichnet sich eine neue Zweckgemeinschaft ab, die das in 2021 gekippte Vorkaufsrecht zurück holen will.

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Comeback für das Vorkaufsrecht?

Eines der fragwürdigsten Regulierungs-Instrumente der Wohnungspolitik steht möglicherweise vor einem Comeback. Das vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig 2021 gekippte Vorkaufsrecht soll nach dem Willen des SPD-geführten Bundesbauministerium neu aufgerollt werden. Mit dem Vorkaufsrecht wurden insbesondere Berliner Immobilieneigentümer und -käufer jahrelang unter Druck gesetzt. Der Kniff der Bezirke war es, Miethäuser am eigentlichen Käufer vorbei selber anzukaufen. Die Regelung, die zuvor nur in Milieuschutzgebieten angewandt werden konnte, wurde zuletzt im Zuge des Baulandmobilisierungsgesetzes auf Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt erweitert.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beendete im vergangenen Jahr mit einem Urteil die Berliner Vorkaufspraxis, die darauf fusste, dass die Kommune dem neuen Eigentümer unterstellte, durch gezielte Maßnahmen die Mieten im Objekt zu erhöhen und damit die Mieter verdrängen zu wollen. Die Verwaltungsrichter  begründeten ihr Urteil damit, dass der gegenwärtige Zustand eines Objektes, nicht jedoch eine Annahme oder Prognose über mögliche Absichten des Käufers zu berücksichtigen sei. 

Neuer Anlauf im Bundes-Berlin

Jetzt kommt es zu einem nicht überraschenden Neu-Anlauf durch das SPD-geführte Bundesbauministerium. Schon kurz nach der Wahl haben sich zwei hohe Beamte für eine Neuauflage des Vorkaufsrechtes stark gemacht. Staatssekretär Sören Bartol und Staatssekretärin Cansel Kiziltepe, beide SPD, haben sich bereits in der letzten Legislaturperiode als klare Befürworter des gescheiterten Mietendeckels und der Vorkaufspraxis profiliert. Bartol zufolge, hat sich das BVG nicht inhaltlich gegen den Berliner Mietendeckel ausgesprochen, sondern lediglich die Kompetenz dafür beim Bund verortet. Kiziltepe fordert, die Vorkaufspraxis rechtssicher zu machen und um ein "nachbarschaftliches Vorkaufsrecht" zu erweitern. 
 
Ende April wurde vom Bauministerium unter Klara Geywitz den Ressorts ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten wieder ermöglichen soll. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die entsprechenden Paragraphen im Baugesetzbuch geändert werden.

Wäre da nicht die FDP und Bundesjustizminister Marco Buschmann, der das Vorhaben kritisch sieht und gestoppt hat. Es müsse unter anderem geklärt werden, ob der Gesetzgeber nach dem BVG Grundsatzurteil überhaupt tätig werden sollte. Außerdem arbeite der Gesetzgeber mit diversen Maßnahmen intensiv an der Verbesserung der Wohnungssituation. So sei die Mietpreisbremse verlängert worden, Förderungen verstärkt und sozialer Wohnungsbau intensiviert worden.   

Anhörungen als nächster Schritt

Im nächsten Schritt sollen sich nun Experten mit dem Vorkaufsrecht auseinandersetzen. Die Zusammensetzung der Gremien lässt vermuten, dass der Druck für eine Novellierung eher stärker, als schwächer wird. Zu den Teilnehmern einer Anhörung in Berlin gehörten neben Politikern der Linken, die das Thema hoch priorisieren, Mietervertreter und andere Befürworter.

Was würde ein neues Vorkaufsrecht bedeuten?

Zum Kalkül zugunsten eine neuen Vorkaufsrechtes gehört auch, dass in den Kommunen (Bezirken) und in der Landes- und Bundespolitik mehrheitlich von einem Ende des Immobilienzyklus ausgegangen wird und damit von sinkenden Kaufpreisen, auch für Mehrfamilienhäuser. Ob dies in Berlin zutrifft oder auch wann diese Entwicklung einsetzen würde, ist in Berlin alles andere als gesetzt. Zur Grundidee gehört jedoch, dass, falls die Preise nachgeben würden, die Bezirke und das Land sich günstiger als zuvor mit Wohnraum bevorraten könnten, ohne zu bauen.

Wie die Konsequenzen einer Neuauflage in Zahlen aussehen könnte, zeigt unsere Auswertung der Ausübungsfälle und der geprüften Fälle für Berlin seit 2017. 

Ausgeübte Fälle nach § 24 BauGB

  2017 2018 2019 2020 Summe
Mitte 0 3 4 4 11
Friedrichshain-Kreuzberg 8 8 8 6 30
Pankow 0 1 2 3 6
Charlottenburg-Wilmersdorf 0 0 0 0 0
Spandau 0 0 0 0 0
Steglitz-Zehlendorf 0 0 0 0 0
Tempelhof-Schöneberg 0 3 5 0 8
Neukölln 3 5 5 5 18
Treptow-Köpenick 0 1 1 0 2
Marzahn-Hellersdorf 0 0 0 0 0
Lichtenberg 0 0 1 0 1
Reinickendorf 0 0 1 0 1
Berlin 11 21 27 18 77

Prüffälle seit 2017

  2017 2018 2019 2020 Summe
Mitte 0 23 34 57 114
Friedrichshain-Kreuzberg 24 26 29 51 130
Pankow 3 51 17 24 95
Charlottenburg-Wilmersdorf 0 0 0 2 2
Spandau 0 0 0 3 3
Steglitz-Zehlendorf 0 0 0 0 0
Tempelhof-Schöneberg 0 20 29 34 83
Neukölln 18 48 25 56 147
Treptow-Köpenick 0 12 12 13 37
Marzahn-Hellersdorf 0 0 0 0 0
Lichtenberg 0 3 8 9 20
Reinickendorf 0 0 3 3 6
Berlin 45 183 157 252 637

Ankäufe ohne Abwendung

  2017 2018 2019 2020 Summe
Mitte 0 7 18 22 47
Friedrichshain-Kreuzberg 5 5 8 19 37
Pankow 1 40 5 10 56
Charlottenburg-Wilmersdorf 0 0 0 0 0
Spandau 0 0 0 0 0
Steglitz-Zehlendorf 0 0 0 0 0
Tempelhof-Schöneberg 0 3 14 14 31
Neukölln 14 21 12 16 63
Treptow-Köpenick 0 9 6 8 23
Marzahn-Hellersdorf 0 0 0 0 0
Lichtenberg 0 3 5 2 10
Reinickendorf 0 0 1 0 1
Berlin 20 88 69 91 268
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