Klimaneutralität: die Jahrhundertaufgabe

Nach Daten des Amtes für Statistik Berlin Brandenburg wurden 2011 noch deutlich über 50 Prozent der Berliner Haushalte fossil beheizt. Auch wenn seit der letzten statistischen Erhebung ein Teil der Gebäude umgestellt wurden, ist der Weg zur Klimaneutralität noch sehr lang. Wir haben untersucht, in welchen Bezirken es noch besonders viel zu tun gibt.

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Heisses Gebäudeenergiegesetz?

Obwohl das Gebäudeenergiegesetz (GEG) bis zu seiner Ratifizierung ein heftiges Gesetzgebungsverfahren hinter sich gebracht hat, wird es immer noch kontrovers betrachtet. Dabei geht es um Fragen zur Effektivität und Umsetzbarkeit der gesteckten Ziele, insbesondere im Hinblick auf die angestrebte Energiewende und die Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen. Sind die gesetzlichen Anforderungen zu hoch? Wer trägt die Kosten der Energiewende? Wie vertragen sich Investitionen und Klimaziele mit dem Mieterschutz?

Gleichzeitig wird das GEG auch mit Blick auf den Immobilienmarkt und die Bauindustrie diskutiert. Die Bedenken sind berechtigt, geht es doch um absehbare Belastungen für Eigentümer von älteren Gebäuden und die Auswirkungen von erheblichen Mehrkosten auf Mietpreise und damit die Verfügbarkeit von Wohnraum.

Darüber hinaus werden die Methoden zur Berechnung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden kritisiert. Die Meinungen der Expertinnen und Experten gehen weit auseinander. Es geht dabei um die Frage, ob die angepeilten Standards überhaupt dazu taugen, die Klimaziele zu erreichen. Auch die Messbarkeit und Genauigkeit von durchgeführten Maßnahmen sowie die Fairness der Bewertungsverfahren stehen im Fokus der Kritiker.

Ziele des GEG

Mit dem GEG soll bis 2045 die Klimaneutralität im Wärmesektor für Gebäude in Deutschland erreicht werden. Es bestehen berechtigte Zweifel daran, ob die Klimaziele ohne eine massive CO₂-Einsparung überhaupt erreicht werden können. Zwar sind die CO₂-Emissionen aus Heizungen seit Jahren rückläufig. Trotzdem entfallen immer noch knapp 150 Millionen Tonnen CO₂ auf die Beheizung von Gebäuden (Quelle) - das sind etwas mehr als zwei Drittel (68 %)  der gesamten Emissionen. 

Laut Umweltbundesamt verursacht ein Heizöl-Kessel pro Kilowattstunde 318 Gramm CO₂. Bei einer Wohnfläche von 120 qm, für die ca. 15.000 Kilowattstunden Heizenergie benötigt werden, verursacht ein Haushalt mit Öl-Heizung somit rund 4,7 Tonnen CO₂ im Jahr. (Quelle) Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, muss also unweigerlich noch viel CO₂ eingespart werden. Zuletzt hat der Energiepreisschock zu Beginn des Ukrainekrieges allen Mietern, Eigentümern und Bauherren gezeigt, wie empfindlich das System in Deutschland auf Abhängigkeiten von Energieimporten reagiert. Es ist damit ein politisches wie wirtschaftliches Ziel, von importierter Energie möglichst unabhängig zu werden.  

Auch nach der intensiven gesellschaftlichen und parlamentarischen Auseinandersetzung um das Gebäudeenergiegesetz bleiben dessen Wirksamkeit und Umsetzbarkeit sowie die Auswirkungen auf die Kosten und deren Verteilung umstritten. Vielmehr wird weiter diskutiert, wie Klimaschutz und Mieterschutz miteinander zu vereinbaren sind und wie bei einer möglichen Abwertung von Immobilien durch das GEG verfahren werden sollte.

Schon jetzt wird deutlich, dass die Immobilienpreise künftig nicht mehr nur nach klassischen Faktoren wie Lage, Miete und Allgemeinzustand gebildet werden, sondern zunehmend auch nach deren Energieeffizienz. Damit erfasst das GEG den gesamten Immobilienmarkt, von der einzelnen Wohnung bis zum umfangreichen Portfolio. Die finanziellen Belastungen für Eigentümer älterer Gebäude und potenzielle Auswirkungen auf die Mietpreise können kaum geschätzt werden.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Berliner Bezirke?

Berlin ist eine Metropole, die sich schon vielfach neu erfunden hat. Zwei Weltkriege, die Teilung der Stadt, Industrialisierung und Deindustrialisierung, Bevölkerungsschwund und rasantes Wachstum haben der Weltstadt für große Transformationen immer nur wenig Zeit gelassen. Das gilt auch für den Berliner Häuser- und Wohnungsbestand, der bis heute in Sachen Wärmeversorgung immer noch extrem heterogen ist. Das zeigt sich besonders anschaulich an unserer Auswertung von Daten zur Ausstattung der Wohnungen in Berliner Mehrfamilienhäusern, die wir auf Grundlage des Zensus von 2011 exklusiv für Sie ermittelt und visualisiert haben.  

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