Wohnungspolitik hat versagt
Knapp 60.000 Menschen aus 250 Ländern kamen im vergangenen Jahr in die deutsche Hauptstadt. Viele sind auf der Durchreise oder suchen Schutz in Berlin und viele werden bleiben. Weil davon auszugehen ist, dass die Zahl der Flüchtlinge abnimmt, wird sich der Zuzug bald auf ein deutlich niedrigeres, aber immer noch hohes Niveau einpendeln. Um Flüchtlinge bereinigt oder nicht: In den kommenden Jahren werden in Berlin so viele Wohnungen benötigt wie in keiner anderen deutschen Stadt. Dass die Mieten und die Kaufpreise in Berlin steigen, ist also eine Frage des Nachfragedrucks. Es ist kein Versagen des Marktes, sondern ein Beleg für eine über Jahre verfehlte Wohnungspolitik in der Hauptstadt.
Das Land hat das wichtigste Instrument aus der Hand gegeben: Wohnungen
Von Mitte der 90er Jahre bis zur Jahrtausendwende sah die Welt in Berlin noch anders aus. Die Bevölkerungszahlen gingen zurück, viele Berliner zog es ins Umland. In der amtlichen Bevölkerungsprognose von 2002 wurde noch davon ausgegangen, dass die Schrumpfung vorerst nicht zu stoppen sein würde. Die Politik nutze diese willkommene Gelegenheit, um die Löcher im klammen Berliner Haushalt mittels der Privatisierung großer Teile des kommunalen Wohnungsbestandes aufzufüllen. Fast 210.000 Wohnungen wurden allein von Mitte der 90er Jahre bis 2002 privatisiert. Interessant ist, dass noch bis 2014 Wohnungen und Grundstücke aus dem kommunalen Bestand verkauft wurden.
Gedächtnisverlust im Roten Rathaus
Davon, dass die Vor- und Vorvorgänger der rot-rot-grünen Koalition in Berlin die Verantwortlichen für die heutige Misere sind, und dass auch noch unter rot-rot in erheblichem Maße landeseigene Wohnungen verkauft wurden, will heute im Roten Rathaus niemand mehr etwas wissen. Es scheint einfacher, die Wohnungsnot als das schlimme Ergebnis einer entfesselten Spekulation mit Wohnraum darzustellen. Schon daher verbietet sich für den Senat die Idee, wie es wäre, wenn man die mehr als 200.000 verkauften kommunalen Wohnungen mit dem prognostizierten Bedarf von 200.000 bezahlbaren Wohnungen bis 2030 gegen rechnen würde
Ideologie statt Realpolitik
Wenn linke Stadtpolitik nach Lösungen sucht, kommt meist Regulierung heraus. Wo er nur kann, greift der Senat in den Wohnungsmarkt ein. Anpassung der Kappungsgrenzen, Erweiterung des Kündigungsschutzes bei Umwandlung, Zweckentfremdungsverbot, Mietpreisbremse, Milieuschutzsatzungen. Die schiere Zahl der Markteingriffe offenbart das größte Problem des Senats: Weil das Land bei der Schaffung neuen Wohnraumes versagt, implementiert es, begleitet von Kampagnen gegen Eigentum und Eigentümer, einen Schutzmechanismus nach dem anderen.
Die Schaffung und Erhaltung bezahlbaren Wohnraums für Menschen mit geringem Einkommen ist ein Staatsziel. Mit der Regulierungspolitik treibt der Senat jedoch den sprichwörtlichen Teufel mit dem Beelzebub aus. Denn die fast flächendeckende Einführung des Milieuschutzes schafft keine neuen Wohnungen, sondern verknappt das Angebot an Kaufwohnungen, da Investoren abgeschreckt werden. Dadurch wird die Eigentumsbildung unmöglich gemacht. In der Folge steigen die Mieten aufgrund des hohen Nachfragedrucks trotz Milieuschutz weiter und es wird nicht mehr in den Bestand investiert. Die Mieter sind dem reinen Mietmarkt ausgeliefert.
Eigentum ist Altersvorsorge, Identifikation und soziale Verantwortung
In den jüngeren Generationen glaubt niemand noch ernsthaft an eine solide staatliche Rentenversorgung im Alter. Junge Menschen müssen heute in alternative Vorsorgekomponenten investieren, bevorzugt in eine eigene Immobilie. Sehr gerne wird auch die zur Miete genutzte Wohnung gekauft, denn Bestandswohnungen sind günstiger als Neubauprojekte. Darüber hinaus stabilisiert Wohneigentum die Quartiersstrukturen, reduziert die Fluktuation und führt zu nachhaltiger Nachbarschaft. Wer im Wohneigentum lebt, identifiziert sich mit seiner Umgebung.
Mit Aufteilungsverboten zwingt der rot-rot-grüne Senat jeden, der von der Miete ins Eigentum will, zum Umzug und in den Verlust der gewohnten Umgebung. Zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, wie es der Paragraph 172 des Baugesetzbuches vorsieht, dienen Aufteilungsverbote nicht, es sei denn, man versteht als Wohnbevölkerung ausschließlich Mieter.
Grenze zur Enteignung überschritten
Erhaltungssatzungen, noch dazu mit Aufteilungsverboten, sind das vermeintlich schärfste Instrument der Landesgesetzgeber im Kampf gegen steigende Mieten und Preise. Mit dem Paragraphen 172 des Baugesetzbuchs im Rücken, unterwirft Berlin Quartier für Quartier der Erhaltungssatzung. Was danach geschieht, grenzt nicht nur an Enteignung, sondern überschreitet diese Grenze. Das Sagen hat nicht mehr der Eigentümer, sondern in den meisten Fällen die Behörde. Der Eigentümer darf nur mit nicht akzeptablen Zugeständnissen aufteilen und kann ohne Genehmigung keine baulichen Veränderungen vornehmen oder veraltete Standards verbessern.
Für den Berliner Mieter geht der Schuss leider nach hinten los. Der Staat zwingt ihn, will er in seiner gewohnten Umgebung bleiben, im bestehenden Mietverhältnis zu bleiben. Er verhindert, dass Wohneigentum als Altersvorsorge aufgebaut wird und erreicht entgegen seiner Absicht Mietsteigerungen ohne Verbesserung der Wohnqualität.