Große Koalition: Wohnungspolitische Weichenstellungen

Die Große Koalition hat ein Ziel: 1,5 Millionen neue Wohnungen müssen her. Frei finanziert und öffentlich gefördert. Der Mietanstieg soll gebremst werden.

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Was wird die Neuauflage der großen Koalition wohnungspolitisch bringen?

Die Koalitionäre in der Neuauflage von CDU, CSU und SPD haben ein gemeinsames Ziel: 1,5 Millionen neue Wohnungen müssen her, frei finanziert und öffentlich gefördert. Im Bestand soll der Mietenanstieg gebremst werden. Im „Wohngipfel 2018“ will die Regierung die Weichen für die kommenden Jahre stellen. Gemeinsam mit Ländern, Kommunen, Vertretern aus Mieter- und Vermietervereinigungen sowie Bauwirtschaft und Gewerkschaften sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Wohnungsoffensive festgezurrt werden.

Große Koalition – große Pläne. Die Wohnraumoffensive im schwarz-roten Koalitionsvertrag.

Der Wohngipfel könnte die Trendwende in der Wohnpolitik in Richtung mehr Wohnungsbau und weniger Regulierung einleiten. Noch steht kein Termin. Die Liste der Teilnehmer zeigt aber, dass die Groß-Koalitionäre verstanden haben, dass Fortschritte im Wohnungsbau nur gemeinsam zu schaffen sind. Im Koalitionsvertrag sind eine Reihe von Maßnahmen festgeschrieben, die den Hebel von unterschiedlichen Seiten ansetzen. Neben steuerpolitischen Maßnahmen stehen die Förderung von Wohneigentum und einige Novellierungen auf der Agenda. Änderungen im Mietrecht sind ebenso geplant, wie die Senkung von Baukosten.

Förderung von Wohneigentum

  • Mit dem Baukindergeld sollen Familien, bzw. Haushalte beim Bau oder Kauf einer selbstgenutzten Wohnung gefördert werden. Das Baukindergeld wird „flächendeckend bis zu einer Einkommensgrenze von 75.000 Euro zu versteuerndem Haushaltseinkommen pro Jahr und zusätzlich 15.000 Euro pro Kind gewährt.“, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Damit ist das Baukindergeld ein zentraler Baustein bei der Bildung von Wohneigentum, die vielen Familien mit kleinen und mittleren Einkommen bislang kaum möglich war. Pro Kind soll es für die Dauer von 10 Jahren 1200 Euro Zuschuss geben. Außerdem erhöht sich die Einkommensgrenze je Kind um 15.000 Euro.
  • KfW-Bürgschaftsprogramm: Eine Herausforderung beim Immobilienkauf ist das Aufbringen einer ausreichend starken Eigenkapitaldecke. Wo Eigenkapital nicht oder nur unzureichend vorhanden ist, erweist sich die Finanzierung trotz geregelter Einkommen häufig als problematisch und fast immer als teuer, da Kreditgeber sich das höhere Ausfallrisiko mit höheren Zinsen bezahlen lassen. KfW-Bürgschaften könnten diesen Kreislauf unterbrechen und dafür sorgen, dass ein Anteil des Kaufpreises bzw. der Baukosten selbstgenutzten Wohneigentums abgesichert und das notwendige Eigenkapital gesenkt wird. Die Bürgschaft soll für 20 Jahre gelten. Über die weitere Ausformung des Programms sind im Koalitionsvertrag keine Details zu finden. Da Banken immer auf Nummer sicher gehen und Sicherheiten sich positiv auf den Beleihungsauslauf auswirken, liegen die Effekte einer KfW-Bürgschaft auf der Hand. Gleichzeitig wird der Gesetzgeber abzuwägen haben, wie weitreichend ein Schutz vor Ausfallsrisiken gehen kann oder soll, da Bürgschaften das Risiko einer Überschuldung erhöhen können.
  • Die 1952 eingeführte Wohnungsbauprämie wird es auch weiterhin geben. Nachdem die Eigenheimzulage 2006 abgeschafft wurde, ist dieses Förderinstrument zu einem wichtigen Anreizinstrument geworden, frühzeitig mit der Vermögensbildung für die Schaffung von Wohneigentum zu beginnen. Der Pämiensatz soll erhöht und Einkommensgrenzen an die Preisentwicklung angepasst werden.
  • Im KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ sollen auch künftig Mittel zur Förderung von Wohnen im Alter zur Verfügung gestellt werden.
  • Eine weitere Komponente der Wohnraumoffensive der Großen Koalition ist die überfällige Reform des Wohnungseigentumsrechts im WEG (Wohnungseigentumsgesetz). Das Vorhaben wird nicht weiter präzisiert. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Mehrheitsverhältnisse für Beschlüsse, vor allem die Bereiche Barrierefreiheit, energetische Sanierung, Elektromobilität (Ladestationen) und Einbruchschutz abgesenkt werden.

Steuerpolitik

Drei zentrale steuerpolitische Maßnahmen werden von der Großen Koalition ins Auge gefasst.

  • Es wird geprüft, ob es auf Bundesebene einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb geben kann. Ein solcher Freibetrag würde zu erheblichen Entlastungen beim Ersterwerb führen. Informationen des IVD (Immobilienverband Deutschland) zufolge, beträgt die „echte“ Grunderwerbssteuer im Entstehungsprozess einer Neubau-Immobilie in Ballungsräumen derzeit etwa 18 Prozent, da in allen Phasen Steuern und Kosten anfallen, die kumuliert vom Verbraucher entrichtet werden; im Prinzip handelt es sich um eine Mehrfachbesteuerung. Eine Reduzierung der Grunderwerbssteuer ist auch für Investoren interessant, die die reduzierte Steuerlast in Form günstigerer Mieten weitergegeben könnten. Aber Achtung: Ein Verzicht auf die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer durch die Länder ist fragwürdig. In Berlin nahm der Fiskus im Jahr 2017 fast 1,06 Milliarden Euro ein. Das ist etwa 1/16 der gesamten Steuereinnahmen des Landes.
  • Wiedereinführung einer Sonderabschreibung für den frei finanzierten Wohnungsbau: Im Gepäck hat die Große Koalition auch die Schaffung einer Sonderabschreibung für den freifinanzierten Wohnungsbau im, wie es heißt, „bezahlbaren Mietsegment“. Durch steuerliche Anreize in Form einer Abschreibung von 5 Prozent über vier Jahre, befristet bis 2021, erhoffen sich die Koalitionsparteien mehr Neubau.
  • Immer wieder im Zentrum des öffentlichen und medialen Interesses waren in jüngster Vergangenheit sogenannte Share Deals. Diese – vollkommen legale – Form der Gestaltung eines Grundstücksverkaufs soll nach dem Willen von Schwarz-Rot künftig stärker kontrolliert werden. Bei Share Deals wird keine Grunderwerbssteuer ausgelöst, da kein Eigentümerwechsel (wie beim Asset Deal) stattfindet, sondern ein Gesellschafterwechsel in der das Grundstück (Liegenschaft, Gebäude) haltenden Gesellschaft. Share Deals sind, anders als dies häufig dargestellt wird, keine Trickserei, sondern ein vor allem in der Projektentwicklung notwendiges Instrument. Mit Share Deals wird vermieden, dass ein Grundstück innerhalb einer Projektentwicklung mehrfach mit Grunderwerbsteuerzahlungen belastet wird. Bei Übertragung von mehr als 95 Prozent der Gesellschaftsanteile wird bereits heute Grunderwerbssteuer fällig. Interessanterweise haben auch Kommunen und Länder oft und gerne zu dieser Form bei Umstrukturierungen gegriffen.

Was ändert sich bei den Mieten

Auch wenn der Wohnungsmarkt bereits weitgehend durchreguliert ist, werden unter schwarz-rot vermutlich einige Änderungen im Mietrecht kommen.

  • Die Koalition möchte die aus Sicht der Sozialdemokraten weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse reformieren, bzw. verschärfen und zunächst auf „Geeignetheit und Wirksamkeit“ bewerten. Mietern soll die Rüge bezüglich der Miete erleichtert werden, indem eine einfache Rüge statt einer qualifizierten Rüge ausreichen soll. Zudem sollen Mieter einen Auskunftsanspruch auf die Miete des Vormieters erhalten.
  • Auch am Mietspiegel macht sich die Koalition zu schaffen. Der Bindungszeitraum soll von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Damit soll der Anstieg der Mieten gedämpft werden. Der Mietspiegel wird damit von einem Marktspiegel zu einer Preistabelle degradiert. Gleichzeitig soll der Mietspiegel „rechtssicher und zuverlässig“ werden sowie differenziert und zuverlässig die Marktverhältnisse spiegeln. Den Bindungszeitraum zu verlängern und zuverlässig die Marktverhältnisse spiegeln ist jedoch ein Widerspruch in sich selbst, zumal laut Koalitionsvertrag auch die Verlängerung des Betrachtungszeitraumes geprüft werden soll.
  • Mieter sollen nach dem Willen des Koalitionsvertrages künftig besser vor bewusstem Missbrauch von Modernisierungsmaßnahmen geschützt werden. Im Koalitionsvertrag wird der Begriff „gezieltes Herausmodernisieren“ genannt, der eine Ordnungswidrigkeit darstellen soll. Bei bewusstem Missbrauch durch Vermieter sollen Mieter Schadensersatzansprüche erhalten.
  • Für die Dauer von 5 Jahren soll in Gebieten mit Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen die Umlage von Modernisierungsmaßnahmen von 11 Prozent auf 8 Prozent abgeschmolzen werden. Außerdem wird die Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen auf maximal 3 Euro/m² innerhalb von 6 Jahren gekappt.
  • Gleichzeitig werden die Anforderungen an Mieterhöhungsverlangen für Vermieter bei Modernisierungen bis 10.000 Euro abzüglich 30 Prozent Instandhaltungsanteil, also bis 7.000 Euro, vereinfacht.
    Das Wohngeld soll an die jeweiligen „allgemeinen und individuellen“ Lebensbedingungen angepasst und regelmäßig überprüft werden, darüber hinaus wird die Einführung einer Klimakomponente im Wohngeld diskutiert.

Stadtentwicklung und Baukultur

  • Ländliche Regionen sollen nach dem Willen der Großen Koalition stärker gefördert und die Kluft zwischen Stadt und Land abgebaut werden.
  • Die Partizipation von Bürgern und Unternehmen soll besser werden. Die Städtebauförderung wird im Koalitionsvertrag angesichts der sich ändernden Aufgaben der Stadtentwicklung als unverzichtbar bezeichnet. Unter das Leitbild fallen dabei klimagerechter Umbau, neue Mobilitätsformen,
  • Nachverdichtung und das Nebeneinander von Sport, Wohnen, Freizeit und Gewerbe, vielen bereits bekannt als „Urbanes Gebiet“.
    Da für den Wohnungsbau vor allem Flächen benötigt werden, wird die Sanierung und Herrichtung von Industriebrachen als Förderschwerpunkt gesetzt.
  • Das nationale Stadtentwicklungsprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ wird fortgeführt.
  • Die nachhaltige Stadtentwicklung wird gefördert und im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative ausgeweitet werden.
    Deutschlands Städte, Kreise und Gemeinden sollen smarter werden. Dafür wird es auch künftig die Dialogplattform „Smart Cities“ geben. Zukunftsfähige Modellprojekte werden gefördert.
  • Bauen soll wirtschaftlicher werden.
    Bauen schafft nicht nur Wohnraum. Der Bausektor ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Sektors soll gestärkt werden. Für die gesteckten Klimaziele soll die Energiewende vorangebracht werden.
  • Die VOB (Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen) soll gesichert werden. Dem Arbeitskräftemangel soll entgegengewirkt und Planen und Bauen weiter digitalisiert werden.
  • Die HOAI soll erhalten werden.
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