Grundstückskaufvertrag in Deutschland. Teil III: Das Vorkaufsrecht

Was hat es mit dem bezirklichen Vorkaufsrecht auf sich? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit dem Urteil vom 09.11.2021 Schluss mit der Berliner Vorkaufspraxis gemacht. Aus der vermeintlichen Wunderwaffe ist ein zahnloser Tiger geworden. 

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Das bezirkliche Vorkaufsrecht

Bei Grundstückskäufen in Berlin gilt eine Besonderheit, welche in den letzten Jahren viel mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. Wenn in dem entsprechenden Kiez eine bauliche Erhaltungssatzung besteht, nutzten die Berliner Bezirke ihr bestehendes bezirkliches Vorkaufsrecht häufig aus oder setzten dieses als Druckmittel ein um sogenannte Abwendungsvereinbarungen mit den Käufern zu schließen. In den Abwendungsvereinbarungen verzichtete der Bezirk auf die Geltendmachung des Vorkaufsrechts, wenn der Käufer im Gegenzug bestimmte Zugeständnisse hinsichtlich der künftigen Nutzung, insbesondere hinsichtlich der Mietpreise, Modernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen macht. 

Die Gemeinden erfahren von neuen Grundstücksverkäufen direkt vom Notar. Nach dem Beurkundungstermin ist der Notar verpflichtet eine Abschrift des beurkundeten Kaufvertrags an das zuständige Bezirksamt mit der Bitte um Prüfung bezüglich des bezirklichen Vorkaufsrechts zu schicken. Der Notar wartet auf die Bestätigung des Bezirksamts, dass in diesem Fall das Vorkaufsrecht nicht besteht oder nicht ausgeübt wird (ein sogenanntes Negativzertifikat). Sollte das Bezirksamt das Negativzertifikat nicht ausstellen, aber auch sonst nicht reagieren, vollzieht der Notar mit Ablauf der dreimonatigen Prüffrist den Kaufvertrag. 

Sollte der Bezirk das Vorkaufsrecht geltend machen, so tritt statt dem eigentlichen Käufer der Bezirk in den Kaufvertrag ein. Die ursprünglich vereinbarten Konditionen bleiben dabei bestehen.

Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 09.11.2021, Az. 4 C 1.20) darf diese Praxis nicht mehr angewendet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass dieses Vorgehen nicht rechtmäßig war. Ein bestehendes gemeindliches Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn dies im konkreten Einzelfall durch das Allgemeinwohl gerechtfertigt ist. Es darf nicht ausgeübt werden, wenn das Grundstück entsprechend der Ziele und Zwecke der städtebaulichen Maßnahme oder nach den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut ist und genutzt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem klargestellt, dass es für diesen Ausschlussgrund nur auf die Nutzung zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts ankommt. Die von den Berliner Bezirken zumeist als Rechtfertigung vorgebrachte Prognose, dass das Grundstück in Zukunft im Widerspruch zu den Zielen der Erhaltungssatzung genutzt werde, ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht relevant.

Auch wenn somit nun in weniger Fällen die Nutzung des Vorkaufsrechts droht, so ermöglicht die bestehende Prüffrist den Bezirken weiterhin Immobilientransaktionen um drei Monate zu verlängern. Ob bereits abgeschlossene Abwendungsvereinbarungen nach dem Urteil rechtlich angreifbar sind, ist juristisch umstritten und wird wohl eine gerichtliche Klärung erforderlich machen.   

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