Senat erklärt ganz Berlin zu Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt

Der Schritt war zu erwarten und der Berliner Senat hat nicht gezögert. Nur kurz nach Inkrafttreten des Baulandmobilisierunggesetzes hat Berlin sich zu einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt deklariert. Lesen Sie hier, was die Verordnung für Wohnungseigentümer und Besitzer von Mehrfamilienhäusern bedeutet.

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Berlin erschwert die Umwandlung nach WEG bis 31.12.2025

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz vom 14. Juni 2021 wurde die Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten im § 250 BauGB temporär neu geregelt. Landesregierungen sind nun befugt mit Rechtsverordnungen Gebiete als angespannten Wohnungsmarkt auszuweisen. Damit einher geht ein sogenannter Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Bestandsgebäuden. Die Rot-Rot-Grüne Koalition im Roten Rathaus wendet nun für Berlin als eine der ersten Städte in Deutschland die Ermächtigung der Bundesregierung an und verhängt den Status mit sofortiger Wirkung über ganz Berlin.

Wie ein und dieselbe Verordnung Wohneigentum verknappt, Eigentümer de facto enteignet und Immobilien in Berlin noch wertvoller macht.

Der äußerst knappe Wohnraum in Berlin ist unstrittig, die Zuordnung der Ursachen hingegen je nach Perspektive unterschiedlich. In 10 Jahren haben sich die Kaufpreise für Wohnungen in Berlin weit mehr als verdoppelt, nicht zuletzt, weil trotz aller Warnungen zunächst gar nicht und später zu wenig gebaut wurde.

Gerade weil Wohnraum knapp ist, wirkt sich der Umwandlungsstopp für Eigentümer von Wohnungen und von Mehrfamilienhäusern unterschiedlich aus. Wer bereits nach WEG geteilte Wohnungen in Berlin besitzt, kann damit rechnen, dass die Wohnungspreise weiter steigen, und zwar für vermietete Einheiten genauso, wie für freie Eigentumswohnungen.

Etwas anders ist die Situation für Besitzer von Mehrfamilienhäusern. Wenn Mietshäuser in Berlin, auch Zinshaus genannt, bis 2025 nicht oder nur unter stark erschwerten Voraussetzungen geteilt werden können, wird die Teilung bis 2025 um vier Jahre verzögert und ein anschließender Verkauf danach um weitere sieben Jahre, sofern das Mehrfamilienhaus sich in einem Milieuschutzgebiet befindet. Ein freier Verkauf einzelner Wohnungen in Milieuschutzgebieten ist damit ab 2032 möglich, außerhalb der Milieuschutzgebiete frühestens ab 2025.

Bereits zuvor waren Vermieter mit wenigen Ausnahmen verpflichtet, in Milieuschutzgebieten nach einer Teilung für die Dauer von 7 Jahren nur an die Mieter zu verkaufen. Damit tritt die wesentliche Verschlechterung hauptsächlich für Eigentümer außerhalb von Milieuschutzgebieten ein.

Die Auswirkungen auf den Marktwert von Mehrfamilienhäusern wird sich vermutlich in Grenzen halten, möglicherweise wird die weitere Preisentwicklung langsamer verlaufen. Viele Investoren sind bereits in der jüngeren Vergangenheit auf langfristige Haltestrategien gewechselt.

Mietervertreter agieren nicht im Sinne der Mieter

In Berlin ist der Markt bereits seit langem weitestgehend durchreguliert. Milieuschutzgebiete, Vorkaufsrechte, Mietspiegel mit Inflationsanpassung, die bundesweite Mietpreisbremse. Und trotzdem steigen Mieten und Kaufpreise? Natürlich, denn obwohl  Mietervertreter zu Recht den Mangel an Wohnraum beklagen, erkennen sie auch nach vielen Jahren unfruchtbarer Regulierung die Ursachen nicht. Allem voran wird nach wie vor nicht ausreichend gebaut. Die Folge sind steigende Preise und eine immer größer werdende Hürde, von der Miete ins Eigentum zu wechseln. Die Zwei-Drittel-Ausnahmeregelunge in § 250 BauGB ist jedoch für Mieter und Vermieter reine Makulatur. Während zuvor einzelne Mieter nach einer Umwandlung kaufen konnten, ist dieser Weg für die nächsten Jahre versperrt. Es sein denn, fast alle Mieter ziehen mit, was in der Praxis kaum stattfinden wird.

Der Schaden auf Mieterseite ist groß, denn tatsächlich ist für die meisten Mieter der Kauf der eigenen Wohnung eine einmalige Chance auf eine bezahlbare Eigentumswohnung in Berlin. Bezahlbar deswegen, weil der Mieter über den Vorkauf eine an ihn vermietete Wohnung kaufen könnte. Er zahlt nicht den Preis einer freien Wohnung, sondern den niedrigeren Preis einer vermieteten Wohnung. Mit der Zwei-Drittel-Bedingung setzt der Gesetzgeber die Hürde für Vermieter so hoch, dass eine Teilung faktisch unmöglich wird. Die Konsequenz ist klar: Keine Teilung, kein Mieterkauf.

Weitere Ausnahmen

Die Genehmigungserfordernis gilt theoretisch nicht, wenn nicht mehr als fünf Wohnungen im zu teilende Objekt liegen. Theoretisch, weil die Länder die Toleranzspanne zwischen drei bis 15 Wohnungen festlegen dürfen. Ausnahmen sind auch für Erbfälle vorgesehen, z.B. wenn Erben die Wohnungen selbst nutzen wollen oder Familienangehörige des Eigentümers einziehen.

Wieviel wird in Berlin umgewandelt?

Wir haben auf Grundlage der Daten des Amt für Statistik Berlin-Brandenburg für Sie ausgewertet, wo, wann und wie viele Wohnungen in Berlin nach WEG von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden.  

Reflexartige Forderungen nach noch mehr Regulierung

Berlins oberster Mietervertreter unterstellt vorauseilend, dass die Bezirke die Regelung zu lax handhaben und dass Eigentümer die umwandeln wollen, bei der Vorkaufregelung für Mieter tricksen könnten, indem Wohnungen an Scheinmieter verkauft werden. Dieses sich im Promille-Bereich abspielende und konstruierte Beispiel zeigt den Realitätsverlust in Berlin.

Wie wird die Praxis gelebt werden?

Gesetz und Verordnung sind brandneu. Es muss abgewartet werden, bis die ersten Anträge auf Umwandlung unter den Bedingungen des § 250 gestellt worden sind und wie die zuständigen Bezirke damit umgehen, wenn teilende Eigentümer auf Ausnahmetatbestände abstellen. Insbesondere die Ausnahme bei wirtschaftlicher Härte wird streitbar sein. Wenn Eigentümer nachweisen können, dass – auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls - die Versagung der Teilung nicht zumutbar wäre, muss der Bezirk die Genehmigung erteilen. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn nur durch Einzelverkäufe das Kapital für Erhaltungsmaßnahmen aufgebracht werden könnte. Dass Vermieter zwei Drittel Ihrer Mieter zu einem Kauf motivieren können, scheint hingegen schlicht unmöglich.

Der zuständige Senator Sebastian Scheel (Linke) sorgt sich, dass insbesondere die CDU-geführten Bezirke nicht im Gleichschritt mit dem Senat marschieren und hat deswegen eine „Arbeitshilfe“ für die Bezirke angekündigt. Der zuständigen Senatsverwaltung zufolge sei eine Arbeitsgruppe mit den Bezirken eingerichtet worden. Wir halten Sie hier über Neuerungen auf dem Laufenden.

Die Konsequenz: Weiter steigende Preise

Schon jetzt ist absehbar, dass die Verordnung einmal mehr zu steigenden Preisen führen wird. Ohne Vorkauf werden sich insbesondere junge Familien eine adäquate Wohnung in Berlin nicht mehr leisten können. Im Investorenkreis hingegen werden sich auch künftig viele Käufer finden. Seit Jahren gibt es erste Anzeichen für eine Suburbanisierungswelle, die in Zu- und Fortzugszahlen ihren Ausdruck findet. Kurz: Das Gesetz wird den Trend ins Umland verstärken.

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