Vorkaufsrecht scheitert vor Gericht

Die Praxis der Berliner Verwaltung bei der Ausübung des Vorkaufsrechts im Geltungsbereich einer Milieuschutzverordnung stößt auf erhebliche rechtliche Bedenken.

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

In Erhaltungsgebieten nach Paragraph 172 BauGB unterliegen Eigentümer einer Vielzahl von Restriktionen. Als besonders scharfes Schwert betrachten die Bezirke das Vorkaufsrecht nach Paragraph 24 BauGB bei der Veräußerung von unbebauten und bebauten Grundstücken, letzteres also bei Miethäusern. Paragraph 27a des Baugesetzbuches regelt ergänzend, dass die Bezirke das Vorkaufsrecht auch zugunsten Dritter ausüben können, in Berlin sind dies üblicherweise städtische Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften.

Dem Erwerber wird durch §27 BauGB die Möglichkeit gegeben, das Vorkaufsrecht des Bezirks abzuwenden. Die Bezirke gehen dabei so vor, dass sie mit der Benachrichtigung über das Vorkaufsrecht an den Erwerber eine sogenannte „Abwendungsvereinbarung“ mitschicken.

Neben einer Reihe ungeklärter Rechtsfragen, scheint es zu einer eklatanten Ungleichbehandlung von Dritten im Vergleich zu „normalen“ Erwerbern zu kommen.

Strittige Rechtsfragen sind unter anderem:
1. Rechtfertigung der Ausübung durch das Wohl der Allgemeinheit (§ 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB)
2. Ausschluss des Vorkaufsrechts (§ 26 Nr. 4 BauGB)
3. Abwendungsbefugnis (§ 27 BauGB)
4. Ausübung zugunsten eines Dritten (§ 27a BauGB)
5. Herabsetzung des Kaufpreises (§ 28 Abs. 3 BauGB)

Das Baugesetzbuch schreibt in § 24a Satz 1 vor, dass die Gemeinde nachweisen muss, dass der Verkauf die Zusammensetzung der Bevölkerung gefährdet. Dass die reine Behauptung, die Gefährdung sei gegeben, nicht ausreicht, wurde richterlich durch ein aktuelles Urteil vom 26.04.2017 bei einem Vorkaufsfall in Berlin-Schöneberg belegt, in dem der Bezirk unterlag. Dort war der Verkäufer vor Gericht gegangen, weil der Bezirk mit einer Kaufpreisherabsetzung das Vorkaufsrecht zugunsten einer Wohnungsbaugesellschaft ausgeübt hatte.

Der Bezirk argumentierte, dass der Käufer ein Spekulant sein müsse, weil er bereit sei, einen nach Ansicht des Bezirkes weit über dem Verkehrswert liegenden Preis zu zahlen und ferner nicht bereit gewesen sei, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Das Gericht argumentiert in der Urteilsbegründung dagegen, dass die reine Vermutung des Bezirkes, es handle sich um Spekulation nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Interessanterweise war die Wohnungsbaugesellschaft, also der Dritte, zu dessen Gunsten das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, ebenso wenig bereit, die Vereinbarung zu akzeptieren.

Auch auf Punkt 2 (§ 26 Nr. 4 BauGB) geht das besagte Gerichtsurteil ein. Das Urteil stellt klar, dass § 26 Satz 4 BauGB das Vorkaufsrecht eindeutig ausschließt, wenn das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 aufweist.
Zur Abwendungsbefugnis (§ 27 BauGB) muss die Frage gestellt werden, auf welcher Grundlage eine Vereinbarung derart weitgehend über die Bestimmungen aus Paragraph 172 BauGB hinausgehen darf. Die reine Vermutung, der Erwerber habe nicht vor, die Ziele der Erhaltungssatzung einzuhalten, weil er die Vereinbarung nicht unterzeichnen will reicht nicht. Diese stellt ihn wirtschaftlich schlechter, als es ihm rechtlich mit der Erhaltungssatzung zusteht.
Auch in Hinblick auf die durch den Bezirk erfolgte Kaufpreisherabsetzung (§ 28 Abs. 3 BauGB) folgte das Gericht im o.g. Urteil der Meinung des Klägers.

Der Verkäufer hatte in einem Bieterverfahren zunächst Angebote bis über neun Millionen Euro erhalten. Nachdem das Objekt unter die Erhaltungssatzung gefallen war, erhielt er immer noch als höchstes Angebot 7,8 Millionen Euro. Der Bezirk erwarb das Objekt unter Kaufpreisherabsetzung zu 6,32 Millionen Euro. Sein Argument: Der Kaufpreis aus dem Kaufvertrag liege erheblich über dem Verkehrswert. Mit einer Überschreitung des vom Bezirk festgestellten Verkehrswertes von unter 25 Prozent liege die Differenz innerhalb der Toleranz. Zumal das Bieterverfahren gezeigt habe, dass der Kaufpreis aus dem Kaufvertrag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr liege.

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