Berlin Immobilien und Corona-Schock

Die Corona-Krise wird zu Liquiditätsengpässen bei Mietern in Berlin führen. Bundesregierung und Berliner Senat steuern mit Schutzschirmen und Programmen dagegen. Wer ist besonders gefährdet? 

von Peter Guthmann Veröffentlicht am:

Corona-Krise bringt Mieter in Bedrängnis

Die Verunsicherung angesichts des SARS-CoV-2 Virus ist sehr groß und es zeichnen sich enorme menschliche und wirtschaftliche Auswirkungen ab. Ob Vermieter oder Mieter, Gewerbe- oder Wohnimmobilien: Die Krise wird nicht ohne deutliche Spuren vorüber gehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Märkte und Segmente im Laufe des Jahres unterschiedlich stark und zeitverzögert reagieren. 

Mieter und Vermieter in der Coronakrise

Die Coronakrise trifft nicht selektiv einzelne Bevölkerungsgruppen, sondern über Kaskadeneffekte früher oder später fast alle Marktteilhaber. Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie einen Schutzschirm aufgespannt, der im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht die Auswirkungen der Krise vor allem für Mieter dämpfen soll. 

Viel Mieterschutz - zu wenig Vermieterschutz

Die Bundesregierung will mit dem Gesetz die Verschuldung, Wohnungsnot und den Verlust von Erwerbsgrundlagen verhindern. Die Leistungspflichten der Mieter können erst ab einem späteren Zeitpunkt von den Vermietern eingefordert werden. Das Gesetz beschränkt damit das Recht des Vermieters zur Kündigung, ohne die Mieter freizustellen. Der Gesetzgeber erhofft sich einen Dämpfungseffekt angesichts der Einkommensverluste und Liquiditätsengpässe bei Mietern. Konkret wird für Mietverhältnisse das Recht der Vermieter zur Kündigung wegen Mietschulden, die vorerst zwischen 1. April 2020 bis 30. September 2020 entstehen, ausgesetzt. Einen Hilfsfonds, wie von vielen Seiten gefordert, gibt es zur Zeit nur für Gewerbemieter. Wohnungsmieter können bei Gehaltseinbußen Wohngeld beantragen. 

Werden auch Vermieter geschützt?

Bei einem großen Teil der privaten Vermieter in Deutschland und Berlin handelt es sich um kleine Unternehmer, Freiberufler, Familienbetriebe oder Familien, die auf die Mieteinnahmen ihrer Immobilien für die Bewirtschaftung, Finanzierung und den eigenen Lebensunterhalt angewiesen sind. Für diese Vermietergruppe wiegen Mietausfälle schwer. Sie tragen das Leerstandsrisiko im Gewerbesektor und müssen die Bewirtschaftung sicherstellen. Vor diesem Hintergrund kritisieren Eigentümerverbände, den Schutzschirm als einseitig zugunsten der Mieter. Der Mieterbund und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, GdW, hatten sich für einen staatlichen Wohnfonds bei Mietausfällen für Wohnimmobilien eingesetzt, der, wie auch der Vorschlag einer Subjektförderung in Form eines Sonderwohngeldes für Wohnungs- und Kleingewerbemieter, unbeachtet blieb.

Bei welchen Vermietern wohnen die Berliner

Etwa ein Viertel der etwa 1,45 Millionen Mietwohnungen in Berlin wird von Privatpersonen vermietet. In Summe beträgt der Wohnungsbestand etwa 1,95 Millionen Einheiten, überwiegend in Geschosswohnbauten mit 3 oder mehr Einheiten. Rund 337.000 Einheiten werden von den Eigentümern selbst bewohnt. Die ca. 1,45 Millionen vermieteten Wohnungen verteilen sich auf vier Säulen:

Art des Vermieters Prozent
Privatwirtschaftlichen Unternehmen 37 %
Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften 28 %
Privatpersonen 26 %
Staatliche Institutionen 9 %

Mieter in Berlin nach Art der Erwerbstätigkeit

Die Mieterquote in Berlin liegt bei ca. 83 Prozent der Gesamtbevölkerung von etwa 3,77 Millionen. Die Zahl der Erwerbstätigen beträgt ca. 2,065 Millionen Personen, darunter etwa 1,53 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. 

Erwerbstätige in Berlin

Erwerbstätige Anzahl Prozentualer Anteil
Erwerbstätige gesamt 2.065.000  
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 1.530.000 74 %
Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst 234.000 11 %
Nicht Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 301.000 15 %

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Mieter

Bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gelten die Regeln der Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit oder bei Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz. Im Quarantänefall erhalten sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer sechs Wochen lang Lohnfortzahlung. Ab der siebten Woche erhalten die Arbeitnehmer vom Staat ein Krankengeld. Bei Kurzarbeit deckt die Arbeitslosenversicherung mit dem Kurzarbeitergeld ca. 60 Prozent des Nettoentgelts ab, bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. 

Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst

In Berlin gibt es, Stand, 2018, etwa 234.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Beamte beziehen auch bei langer Abwesenheit, z.B. durch Krankheit oder Quarantäne, dauerhaft das volle Gehalt. Angestellte Arbeitnehmer erhalten nach sechs Wochen Krankheit, bzw. ab dem 43. Krankheitstag für die Dauer von 78 Wochen ein Krankengeld in Höhe von 70 Prozent ihres Bruttoeinkommens. 

Nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 

2,06 Millionen Erwerbstätige abzüglich 1,52 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und 234.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entspricht in etwa 306.000 Menschen. Diese Gruppe ist die vorerst am stärksten betroffene Gruppe, da Einkommenseinbußen nicht durch das Sozialsystem aufgefangen oder gemildert werden. Insbesondere Klein- und Einzelunternehmer kann es doppelt treffen, da häufig Gewerbemieten und Wohnmieten zu leisten sind.

Der Berliner Senat hat Soforthilfemaßnahmen für diese Berufsgruppe beschlossen. Die sogenannte Soforthilfe II sieht ein Landesprogramm in Höhe von 100 Mio. Euro für das laufende Jahr vor. Das Soforthilfeprogramm soll kleine und Kleinstunternehmen des privaten Kulturbetriebes, freiberufliche und soloselbständige Künstler und Kulturarbeiter, sowie Honorarkräfte, kleine Kunstvereine und selbstständige Veranstaltungsbetriebe mit bis zu jeweils 5.000 Euro stützen.

Liquiditätsengpässe vor allem bei Selbstständigen

Es kann angenommen werden, dass die Liquiditätsproblematik gedämpft auf den Wohnungsmarkt durchschlägt. Engpässe sind zunächst bei den ca. 306.000 nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu erwarten. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von ca. 1,7 Personen, entspricht dies rechnerisch etwa 180.000 Mietverträgen, die in Not geraten könnten. 

Liquiditätsengpässe bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entstehen, wenn überhaupt, erst nach einiger Zeit. Für die Dauer von 6 Wochen werden bei angeordneter Quarantäne die Löhne voll weiter gezahlt. Gehen Betriebe auf Kurzarbeit, entstehen dabei je nach Ausprägung Deckungslücken von bis zu 40 Prozent des Nettoentgelts (kinderlos) und bis zu 33 Prozent (mit Kindern). Der Mittelwert aus 40 und 33 Prozent entspricht bei Kurzarbeit einer Gehaltseinbuße von etwa 36,5 Prozent. Dieser prozentuale Liquiditätsverlust träfe unseren Annahmen zufolge bei ca. 1,53 Millionen Berlinern zu. Auf die Haushaltsgröße von 1,7 Personen gerechnet, wären etwa 890.000 Haushalte betroffen. Aber auch hier können Wohnungsmieter staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, bevor sie die Miete stunden lassen. Bei vollem Lohnausfall oder wenn der Lohn nicht mehr reicht, gibt es die Möglichkeit, Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld zu beantragen.

In Euro gerechnet

In Berlin gibt es etwa 142.700.000 m² Wohnfläche. Auf 1,95 Millionen Wohnungen gerechnet ergibt dies eine durchschnittliche Wohnfläche von ca. 73 m². Eine durchschnittliche Wohnung kostet damit unter Ansatz der im Mietspiegel 2019 ermittelten Durchschnittsmiete von ca. 7 EUR/m², etwa 512 Euro nettokalt im Monat. Auf Quadratmeter oder Wohnfläche gerechnet, ergibt sich eine  Berlin-Monats-Nettomiete von knapp einer Milliarde Euro (998.400.000). 

Ein hypothetisches, nach Beschäftigungsgruppe errechnetes Szenario ergibt bei 100 Prozent Mietausfall folgende Ausfallsrisiko:

1 Milliarde Euro Monats-Netto-Miete x 15 Prozent = Maximalrisiko von ca. 150 Millionen Euro. Auf die Art des Vermieters verteilt bedeutet das:

Art des Vermieters Prozent vom Wohnungsbestand Prozent Ausfallsrisiko (in Mio Euro)
Privatwirtschaftlichen Unternehmen 37 % 55,5
Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften 28 % 42
Privatpersonen 26 % 39
Staatliche Institutionen 9 % 13,5

Was ist, wenn der Shutdown länger dauert?

Bei einem länger anhaltenden Shutdown sind Mietausfälle auch bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wahrscheinlich, sofern diese nicht über einen Notfonds aufgefangen werden. Die vorgesehene Stundung mit Kündigungsschutz muss durch eine Subjektförderung oder durch gesetzliche Ansprüche der Vermieter in Höhe der Ausfälle gegenüber dem Notfonds ersetzt werden. Auch muss zur Vermeidung von Mitnahmeeffekte der Nachweis über den Grund des Engpasses beim Mieter und nicht beim Vermieter liegen. Ein staatlicher Fonds ist darüberhinaus der einzige Weg, wie Mieter von aufgelaufene Mietschulden zu einem späteren Zeitpunkt pauschal entlastet werden können. Wohnungsmieter können bei Gehaltseinbußen Wohngeld beantragen. Wer gar keinen Lohn mehr erhält oder zu wenig kann gegebenenfalls auch Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld beantragen.

Fazit

Der Bundestag hat mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ einen Schutzschirm aufgespannt, der Mieter, die aufgrund des Coronavirus im Zeitraum von April bis Juni 2020 ihre Miete nicht oder nicht vollständig zahlen können, vor Kündigung ihrer Mietverträge wegen des Zahlungsverzugs absichert. Auch wenn die Coronakrise zu Liquiditätsengpässen bei vielen Mietern in Berlin führen wird, ist eine differenzierte Betrachtung wichtig. Bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Quarantänefall kann angenommen werden, dass Liquiditätsengpässe erst ab der siebten Quarantänewoche eintreten können. Bei Kurzarbeit können bereits vorher Engpässe eintreten. 

Bei Beamten und Angestellten ist nicht von Liquiditätsengpässen auszugehen.

Für etwa 306.000 nicht sozialversicherungspflichtige Personen ist die Lage am kritischsten. Viele Klein- und Einzelunternehmer kann es doppelt treffen, da neben den Wohnungsmieten auch Gewerbemieten zu leisten sind. Für diese Berufsgruppe werden Hilfen in Höhe von 100 Millionen Euro bereitgestellt. 

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